Die fragwürdige Bedeutung der Olympischen Spiele
Alle vier Jahre kommt er wieder, der Mega-Hype um die Olympischen Spiele. Als gäbe es nichts anderes. Ein überdrehter Leuchtturm, der unablässig von den Medien, den Sponsoren, den Verbänden und insbesondere von den Sportlern befeuert wird. Gerade bei den Sportlern ist der Hype besonders fragwürdig, da sie eher eine bedenkliche Rolle spielen in diesem Megaspektakel.
Zum Beispiel aus kommerzieller Perspektive: Die Olympischen Spiele sind ein Gigageschäft. Das Budget der bevorstehenden Spiele in Paris beträgt 4.4 Milliarden Euro. in Tokio waren es 7 Milliarden. Bloss, gewinnt ein Schweizer eine Goldmedaille, erhält er gerade einmal 40’000 Franken, Deutschen Olympiasiegern stehen 20’000 Euro zu. Als Vergleich: Ein Wimbledon-Sieg im Tennis bringt aktuell rund 2.75 Millionen Euro ein. Bei den Olympischen Spielen gilt offensichtlich für die Sportler: Absahnen tun andere. Die Sportler dürfen zudem weder ihre Sponsoren präsentieren noch im Nachgang Bilder verwenden. Sie stehen zwar im Zentrum, aber am Ende sind sie die Gelackmeierten.
Auch aus sportlicher Sicht sind die Spiele fragwürdig. Die Wettkämpfe finden nur alle vier Jahre statt und in der Regel zählt nur der Sieger, allenfalls noch die weiteren Medaillengewinner. Es bedarf einer sportlichen Punktlandung, bei der oft auch Glück und Zufall eine Rolle spielen. Olympiasieger sind nicht immer die besten ihrer Klasse, sondern jene, die an diesem einen Tag reüssieren konnten. Hinzu kommt, dass gerade bei den Mountainbikern das Starterfeld bei einem Weltcuprennen viel höherwertiger ist als bei den Spielen, was auf die Länderkontingente zurückzuführen ist. Diese Kontigente haben zur Folge, dass potentielle Medaillenanwärter das Rennen, statt im Sattel zu sitzen, von der Couch aus verfolgen. In Paris betrifft das mehrere Mountainbiker aus der Schweiz und aus Frankreich.
Die Olympischen Spiele sind aber auch aus technischer Sicht fragwürdig. Alle vier Jahre wird eine Rennstrecke konstruiert, die mit der Sportart nicht mehr viel zu tun hat. Das Hauptkriterium ist die Fernsehtauglichkeit, was zu langweiligen Gravelpisten mit künstlichen Hindernissen führt. Die Fahrtechnik, ein elementarer Bestandteil der Sportart, bleibt auf der Strecke – und das ausgerechnet beim „wichtigsten“ Wettkampf des Jahres.
Und schliesslich ist der Megaevent auch aus zwischenmenschlicher Perspektive fragwürdig. Die Selektionsprozesse sorgen immer wieder für böses Blut und angespannte Beziehungen in einer Welt, die sich sonst sehr kollegial gibt. Jüngstes Beispiel ist der Schweizer Filippo Colombo, der die Nichtselektion als den „schlimmsten Tag seines Lebens“ bezeichnet. Seine Enttäuschung ist das Symbol, in welche absurden Sphären die Sportler die Olympischen Spiele hieven.
Aus einer gewissen Distanz betrachtet ist der Hype um die Olympischen Spiele fragwürdig. Es gäbe viele Gründe für Sportler, diesem Theater fernzubleiben. Doch selbst die abgebrühtesten Athleten können dem Reiz nicht widerstehen. Schade eigentlich, denn sie hätten es in der Hand, dieser Gigantismus-Spirale etwas entgegenzusetzen.
Thomas Giger – Ride Magazin #92